Antelope Canyon's kleiner Bruder
zwei slotcanyons in einem und warum ich mit neuseeland telefonierte
My heart is beating for Antelope Canyon X!
Am gestrigen Abend bin ich nach unserer Jeeptour in die fantastische Welt der South Coyote Buttes mit den Phönixern Jörg (gebürtig aus Sachsen) und seiner Frau Debbie in Kanab essen gegangen. Am nächsten Tag, also heute, wollen sie nach Page fahren, um sich den Antelope Canyon X anzusehen. So kurzfristig waren für Upper and Lower Antelope Canyon keine Tickets mehr zu bekommen.
Von diesem Teil des Canyons hatte ich noch nichts gehört und ich beschloss, mein einsames Dasein am North Rim des Grand Canyon noch einen Tag aufzuschieben. Page ist nur etwa eine Stunde Autofahrt von Kanab entfernt, da konnte ich locker an einem Tag hin und zurück und weiter bis zum North Rim fahren.
Die Tickets für diesen Teil sollten wesentlich preisgünstiger und kurzfristig erhältlich sein. Und tatsächlich, noch am Abend vorher gab es Tickets für den nächsten Tag! Zudem darf man sich 3 Stunden (!) mit Stativ frei im Canyon X bewegen! Das ist in den berühmten Brüdern nur noch im Rahmen einer teuren Photography Tour möglich...
Hinter einem einfachen Campingtisch lächelt uns eine Navajo freundlich an. Kurze Zeit später sitzen wir in einem Jeep und werden eine kurze Strecke hinein in die Wüstenlandschaft Arizonas bis zum Canyoneingang hinunter gefahren. Eine abenteuerliche Stimmung macht sich breit und wir sind gespannt. Ein paar Meter müssen wir noch zu Fuss durch den weichen Sand zurücklegen und dann sind wir im geheimnisvollen Antelope Canyon X. Ich kann es kaum glauben. Nach dem entsetzlichen Gedränge und den Menschenmassen im Lower Canyon vor einigen Tagen ist es hier das Paradies! Es gibt hier anscheinend nicht die Möglichkeit, dass Sunbeams entstehen, aber niemand steht ständig hinter uns und treibt zur Eile an, wir können in aller Ruhe diesen Slot Canyon genießen und Stunden in ihm verbringen, ein Traum!
Erst später wird mir bewußt, dass wir vielleicht zu den letzten Touristen gehören, die diesen Canyon X auf diese Art erleben dürfen. Immer mehr Touristen werden sich für diesen Ort als Alternative entscheiden, weil die großen Brüder so überlaufen sind.
Was mich hier so unglaublich fasziniert ist das Gestein und seine Formationen. Ich fotografiere vieles im Detail und bin genauso begeistert von den Flechten, die sich auf dem roten Stein gebildet haben, wie auch von den Strukturen der Felsen selbst. Leider stelle ich irgendwann fest, dass mein Teleobjektiv Probleme mit dem Scharfstellen hat und Jörg ist so wahnsinnig lieb, mir für eine halbe Stunde seines zu leihen, er besitzt ebenfalls eine Canon DSLR. Ganz lieben Dank nochmal, Jörg! (Später sollte sich herausstellen, dass ein Defekt vorlag.)
Ein paar wenige Navajos schwirren immer mal wieder um uns herum und machen uns auf eine kleine Eule aufmerksam, die hoch oben schlafenderweise auf einem Felsvorsprung mitten im Slotcanyon sitzt... huhu!
...die Eule
So vergehen die Stunden wie im Flug und wir genießen die Zeit in vollen Zügen.
Das indirekte Licht hier fordert mich fotografisch heraus und oft schieße ich eine Belichtungsreihe, weil ich mir wegen der Belichtung nicht sicher bin. Im Nachhinein kann ich sagen, dass das in allen drei Teilen des Antelope dort sinnvoll war, wo ich den gesamten Canyon auf's Korn nahm und etwas Himmel zu sehen war. In dem Fall waren die Kontraste so stark, dass ich später am PC aus drei Fotos ein HDR zusammenfügte, damit das Bild sämtliche Farbinformationen enthielt.
Nach einer herzlichen Verabschiedung von Debbie und Jörg machte ich mich auf den Weg zurück nach Kanab und weiter zum reservierten Campground am North Rim des Grand Canyon. Oben von der Strasse kann ich einen Blick auf den oberen Teil des Glen Canyon Dam werfen und von einem Parkplatz aus habe ich einen herrlichen Blick über den Lake Powell.
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Glen Canyon Dam, eine gigantische Bogengewichtsstaumauer, die im Glen Canyon den Colorado zum Lake Powell aufstaut.
Lake Powell
Und zum Schluss noch eine abenteuerliche Geschichte...
Nicht weit hinter Kanab halte ich in der Dämmerung in einer kleinen Parkbucht am Highway an, um ein Foto vom Sonnenuntergang zu schießen. Beim Aussteigen bemerke ich es dann: der hintere rechte Reifen ist fast platt und die Bremsscheibe scheint rot zu glühen!
Der schöne Sonnenuntergang ist schlagartig vergessen. Während die Trucks an mir vorbei donnern, suche ich im schnell schwindenden Tageslicht in den Autounterlagen nach der Notfallnummer von Jucy. Es bleibt mir nix anderes übrig als zu telefonieren, denn den Reservereifen finde ich nicht. Das heißt, ich weiss, er hängt unter dem Auto, aber ich komme einfach nicht dahinter, wie ich drankommen soll. Und ich habe ehrlich gesagt auch nicht den Nerv, hier im Dunkeln am Highway einen Reifen zu wechseln.
Okay, Sprachführer wälzen und die Vokabeln nachschauen, die mit dem Auto zu tun haben. Telefonnummer gefunden, angerufen und... keiner geht dran.
Unter der ersten Telefonnummer steht eine zweite. Ich rufe an und habe einen netten jungen Mann am Apparat, der mich fragt, wo genau ich denn stehe. Ich beschreibe ihm den Ort...auf der 89A kurz hinter Kanab und vor Fredonia in Richtung North Rim und denke, das ist doch eine gute Erklärung. Aber irgendwie rafft er's nicht, immer wieder fragt er nach der Straße, dem Ort und was ich zuletzt gesehen habe. Nach der vierten Wiederholung, ja, ich bin vor einer Viertelstunde an einer Tankstelle vorbeigefahren, werde ich dann echt ungeduldig und frage ihn, warum er mich immer wieder das gleiche fragt, ich hätte einfach keine andere Antwort für ihn.
Da meint er, er würde das North Rim nicht finden, was das denn überhaupt sei und ich solle ihm bitte sagen, wo genau sich das in Neuseeland befindet! NEUSEELAND? Ach du sch...eibenkleister!
Es stellt sich heraus, dass ich mit Jucy Rental in Neuseeland telefoniere, der Jucy-Mutterfirma. Nachdem ich meinen Schock einigermaßen überwunden habe, meint der junge Mann, ich solle ihm meine Telefonnummer geben, er würde was organisieren und sich dann wieder bei mir melden. Ich sag sie im durch und wech isser. Ich fühle mich jetzt ziemlich einsam hier im Dunkeln und in dem immer wieder von Trucks erschütterten Jucy. Ob er wohl wirklich zurückruft? Naja, notfalls muss ich halt hier übernachten, auch wenn's nicht gerade die ideale Stelle ist. Mittlerweile ist es etwa halb neun und stockduster...und wenn ich das schreibe, dann meine ich es auch so: STOCKDUSTER! Egal, ich habe Essen, ich habe Wasser, ich habe Bier und mein Bett habe ich auch dabei, also was solls. Während ich so ein wenig herumkrame und meinen Gedanken nachhänge, klingelt mein Handy. Er hat mich nicht vergessen und ruft tatsächlich zurück, ich bin jetzt doch erleichtert.
In einer halben Stunde kommt ein Automechaniker aus einer "nahe" gelegenen Werkstatt und wechselt mir den Reifen. Ich könnte ihn küssen, den netten jungen Mann! Leider befindet er sich am anderen Ende der Welt und ich kann ihm nicht mal ein Trinkgeld schicken. Mein Abschied fällt jedenfalls sehr herzlich aus!
Nach etwas mehr als einer halben Stunde fährt mein Retter vor. Nein, er trägt keine glänzende Rüstung, er erinnert mich eher an meinen kleinen Bruder... schmal in der Statur, grantig und genervt, aber äußerst kompetent! Ich nenne ihn Johnny, insgeheim natürlich. Allerdings braucht Johnny eine Viertelstunde, bis er endlich herausfindet, wie er an den Ersatzreifen drankommt. Er kramt seinen riesigen Werkzeugkoffer hervor und schraubt die halbe Plastikverkleidung um die Kupplung herum ab, um die Schraube erreichen zu können, an der der Reifen unter dem Jucy hängt - komplizierter geht echt nicht!
Irgendwann hat der arme Johnny es nach ewiger Kurbelei geschafft, der Reifen ist lose und er zieht ihn unter dem Auto hervor. Er fragt mich nach dem Wagenheber (gut, dass ich vorher nachgeschaut habe , was Wagenheber auf englisch heißt) und stolz reiche ich ihm diesen. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Wagenheberkurbelns schimpft Johnny vor sich hin (ich nehme das nicht persönlich) und wirft den Heber unsanft hinten ins Auto. Der Wagenheber ist schlicht zu klein und kann den Jucy nicht hoch genug heben. Wie bitteschön hätte ICH den Reifen jemals wechseln sollen?
Johnny stiefelt zu seinem Lieferwagen und kramt seinen eigenen wesentlich stabileren Wagenheber hervor. Jetzt klappt's wie am Schnürchen und ruckzuck ist der kaputte Reifen runter und der neu drauf. Gott sei Dank!
Johnny wirft den kaputten Reifen kurzerhand auf meinen Schlafplatz ins Auto und wech isser. Ich schaffe es gerade noch ihm ein fürstliches Trinkgeld zuzustecken (dass es fürstlich ist, erkenne ich an seinem besänftigten Gesichtsausdruck), hat er verdient!
Mein Abenteuer ist aber noch nicht zuende, denn eine Stunde Autofahrt liegt mindestens noch vor mir. An der Abzweigung auf die #67 widerstehe ich nur schwer der Versuchung, im Jacob Lake Inn einzukehren. Als ich jedoch an der Rezeption den gesalzenen Übernachtungspreis von $100 erfahre, reiße ich mich zusammen und fahre weiter. Schließlich ist der Stellplatz auf dem Campground schon bezahlt.
Die Nacht ist weiterhin rabenschwarz und ich fahre durch den endlosen Kaibab National Forest. Ein gelbes Schild taucht am Strassenrand auf, es warnt "Achtung Rehwildwechsel". Da ich sehr müde bin und tatsächlich nach zwei Minuten die ersten Rehe auf der Strasse stehen, fahre ich sehr langsam. Das nächste Warnschild zeigt "Achtung Kühe", na gut, also schön langsam weiterfahren. Zu den Rehen auf der Straße gesellen sich die Kühe und ich fahre Slalom, gaaanz laaangsaaam natürlich. Ich fühle mich schwer an das Buch "Als die Tiere den Wald verließen" erinnert!
Als dann nach einer Weile ein drittes Schild "Achtung Bisons" am Strassenrand erscheint, lässt ein hysterischer Lachkrampf nicht lange auf sich warten. Doch der Bison lässt sich nicht blicken, obwohl... DEN hätte ich schon gerne gesehen.
Das Glück im Unglück bleibt mir treu und um Mitternacht erreiche ich ohne weitere Vorfälle sicher den North Rim Campground. Die Reservierungsliste hängt an der Rezeptionstür, ich finde meinen Namen und die Stellplatznummer, ein Plan des Platzes liegt auch parat, klasse! Ich parke auf meiner Site, wuchte mit letzter Kraft den kaputten Reifen aus meinem Schlafzimmer und sinke in einen traumlosen Schlaf.
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Hannah (Donnerstag, 07 Februar 2019 21:42)
Welch ein abenteuerlicher Tag! �
Gogol Lobmayr (Samstag, 20 Juni 2020 16:51)
Schön geschrieben!
Wer eine Reise tut kann was erzählen.
Ja und das mache ich jetzt.
Es entsteht ein Buch über meine Erlebnisse während unserer Aufnahmen aus der ganzen schönen Welt.
Liebe Grüße,
Gogol Lobmayr